14 schwierige & unglaublich schöne Jahre, die ich verpasst hätte

von Alexander Liedtke

Die folgenden Schlaglichter sind nur z. T. chronologisch geordnet.

Ich habe meinen Abschluss (Staatsexamen) in Medizin geschafft!

Ich habe die tollste Tochter der Welt gezeugt!

Ich habe ein halbes Jahr in Paris gelebt und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet.

Ich habe dort richtig tolle Kids kennenlernen dürfen.

Und auf einer Party einen Philosophie-Studenten, mit dem ich in der Folge stundenlange Gespräche führte.

Oft war ich nach meinem Praktikum so fertig, dass ich nachmittags bis zum nächsten Morgen durchschlief.

Ich habe auf einer Party wild mit einer Brasilianerin geknutscht - und bekam eine heftige Angina.

Ich kurierte mich mit dem leckersten Eis auf der Welt (für mich): Magnum Mandel.

Ich verbrachte viele tolle Stunden mit dem Halbbruder meiner Tochter.

Wir fuhren ans Mittelmeer, in die Provence.

Ich war durch den Fulltime Job als Arzt mit Nacht- und Wochenenddiensten total überfordert.

Ich habe tolle Begegnungen mit meinen Patienten in der Psychiatrie gehabt.

Ich war das erste Mal 3 Monate vollstationär.

Ich habe eine halbe Stelle in der Blutspende gefunden und dort 4 Jahre gearbeitet!

Ich habe mich stundenlang parallel mit meiner Tochter auf die Matratze fallen lassen. Ihr Juchzen war einfach nur ansteckend.

Ich habe ein Kinderbuch über Depressionen geschrieben.

Ich lag so oft antriebslos im Bett.

Ich war im Sommer am Strand in Lubmin und habe lecker Eis gegessen.

Ich musste schließlich meinen Job als Arzt aufgeben...

Ich war kurze Zeit selbstständig als Fotograf.

Ich nahm zu viele Medikamente und wurde kurzzeitig psychotisch davon. 

Ich habe tolle Fotos von den Kids aus dem Kindergarten meiner Tochter gemacht.

Ich hatte sogar eine kleine Galerie und zwei eigene Ausstellungen (neben einer anderen).

Leider funktionierte das Fotografen-Dasein auch nicht so wirklich mit meiner Erkrankung.

Ich bekam zum Glück eine Berufsunfähigkeitsrente, nachdem ich 2 Jahre auf Hartz-IV war.

Ich habe mich von der Mama meiner Tochter getrennt.

Ich bin in eine neue, tolle Wohnung gezogen.

Ich habe ein riesiges Spielhaus für meine Tochter in der Ergotherapie gebaut.

Meine Tochter wurde eingeschult.

Wir haben zusammen im Winter Schneemänner gebaut.

Ich habe mich nach langem Zögern für die EKT (Elektrokrampftherapie) entschieden... Bei mir hat sie leider nicht geholfen...

Ich war vor 3 Jahren das erste Mal auf dem Jakobsweg, von Sevilla nach Merida. 2 schöne, wenn auch anstrengende Wochen mit viel Sonne und warmen 20 Grad im Dezember!

Ich versuchte die Therapie mit Ketamininfusionen - leider ohne durchschlagenden Erfolg.

Ich war monatelang wiederholt in der Tagesklinik (wann bekomme ich endlich meine eigene Inventarnummer): Also ich war in den letzten Jahren 1/3 der Zeit in der Psychiatrie...

Ich lernte in der Tagesklinik viel dazu und lernte tolle Therapeuten und Schwestern kennen.

Ich konzipierte 100 Karten mit Skills und Achtsamkeitsübungen und entwarf 95 "Fragen an das Leben".

Ich habe mit meiner Tochter Plätzchen gebacken.

Ich habe mit dem Fahrrad (und meinem Zelt) Spanien und Portugal durchquert! 

Ich schickte Postkarten mit Eisbären nach Hause.

Ich wurde leider gegen Ende meiner Reise wieder heftig depressiv...

Ich habe angefangen, mit der tollsten Freundin der Welt regelmäßig weite Strecken spazieren zu gehen.

Ich habe "Pizza Istanbul" entdeckt. Eine richtig leckere Fertigpizza.

Ich habe ungefähr 10 Mal Lagerfeuer bei mir im Garten gemacht.

Ich hatte 2 tolle Premieren mit meiner Theatergruppe.

Meine Tochter hat schwimmen und tauchen gelernt.

Ich lernte den tollen Jens von der Theaterwerft kennen und helfe ihm bei der Öffentlichkeitsarbeit seines kleinen Theaters.

Ich habe eine neue tolle Therapeutin über Instagram kennen gelernt, bei der ich mich wirklich öffnen kann.

Ich bin wieder auf dem Jakobsweg, diesmal von Malaga und genieße die frühlingshaften Temperaturen im Januar!

Ich werde bald eine Theatergruppe in der Psychiatrie (mit Improvisations-Übungen) anleiten! 

Ich habe unzählige Flyer und Plakate designt.

Ich habe Radio für Kinder gemacht.

Ich habe ganz viele tolle Fotos gemacht.

Ich habe viele Haikus geschrieben.

Ich habe viele tolle, besondere Menschen in der Psychiatrie kennen gelernt. Manche sind sogar meine Freunde geworden.

Ich habe Sternschnuppen verglühen sehen.

Ich war Clown im Krankenhaus.

Ich habe viele tolle Filme gesehen.

Und tolle Couchsurfer bei mir beherbergt.

Und Harry Potter 5 Mal (!) durchgehört von vorne bis hinten.

Ich habe tolle Musik entdeckt (v.a. Max Richter, Steve Reich und Philipp Glass).

Ich war tanzen.

Ich war stundenlang apathisch im Bett und hab die Wand angestarrt.

Ich habe gelernt, meine Bisexualität anzunehmen.

Ich habe ganz viel dazugelernt.

Ich habe angefangen zu malen (wenn auch noch viel zu selten).

Ich habe den für mich tollsten Kaffee der Welt lieben gelernt: Espresso.

Ich habe mich über lange Spaziergänge im Winter durch den Schnee gefreut.

Ich kam oft morgens nicht aus dem Bett.

Ich habe DepriBuddy gegründet. Und konnte dadurch einen Unterschied machen im Leben von Menschen, ihnen eine Stütze sein.

Letztes Jahr war es so schlimm, das ich monatelang keine E-Mails lesen konnte (obwohl die sich wegen DepriBuddy türmten).

Ich war wieder mal knapp 3 Monate in der Tagesklinik.

Wir haben schließlich, nach etwa 8 Fehlversuchen, die passende Einstellung meines "Hirnschrittmachers" gefunden.

Ich bin seit 4 Monaten stabil.

Die Liste ließe sich wohl noch lange fortführen...es sind einfach ein paar Schlaglichter der letzten 14 Jahre.

Ich habe oft gekämpft in denletzten 14 Jahren, und manchmal wusste ich nicht mehr, wie ich die Kraft finden sollte, weiterzumachen.

Aber dann kam irgendwann neue Kraft.

Und schließlich habe ich meine Depression nach 30 Jahren (!) weitestgehend überwunden! (Wie? Siehe diesen Artikel)

Jetzt schlägt mein Herz (neben meiner Tochter natürlich) für DepriBuddy und die Lebensbox. 

Und im Sommer fliege ich mit meiner Tochter nach Island!

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