"hast du Mal mit dem Gedanken gespielt, deinem Leben ein Ende zu setzen?"
Sie plädieren dafür, jemanden ganz konkret darauf anzusprechen, ob sich die Person gegenüber Gedanken über Suizid macht. Könnte ich den anderen damit im schlimmsten Fall nicht sogar auf dumme Gedanken bringen?
Nein, diese Sorge ist unbegründet. Damit wecken Sie keine schlafenden
Hunde. Auf den vermeintlichen Ausweg Suizid kommt jeder Betroffene alleine. Ein Gespräch
wird jedoch als sehr entlastend erlebt. Suizidalität ist ein Prozess, in dem sich jemand immer
weiter aus dem sozialen Umfeld entfernt, die Überlegungen kreisen dann immer mehr um
den Suizid, man grübelt und grübelt. Wenn man aus der Gedankenschleife herausgeholt
wird und mit jemandem reden kann, kann man hingegen auf neue Gedanken kommen.
Was sind denn Anhaltspunkte, dass jemand sich mit Selbstmordgedanken herumschlagen
könnte?
Jeder Suizid entsteht aus einer Krise heraus, oftmals verbunden mit einer Depression. Aber
das muss nicht sein. Typische Situationen sind, wenn jemand einen nahen Angehörigen
verloren hat, einsam ist, es eine Suchtproblematik gibt, sich der Partner getrennt hat. Wirkt
Ihr bester Freund, eine Freundin oder auch Ihr Lebensgefährte also sehr traurig und zieht
sich immer weiter zurück, dann sollten Sie ihn darauf ansprechen.
Was soll ich dann konkret sagen?
Dass sie sich große Sorgen um die Person machen. Fragen sie gezielt nach: "hast du Mal
mit dem Gedanken gespielt, deinem Leben ein Ende zu setzen?" Schaffen Sie dafür eine
ruhige Gesprächsatmosphäre. Es sollte sich um eine Situation handeln, in der Sie
entspannt eine Stunde miteinander reden können. Falls ein persönliches Treffen nicht
möglich sein sollte, können Sie das Gespräch auch am Telefon führen oder per WhatsApp.
Grundregel ist jedoch, dass es besser ist, überhaupt zu kommunizieren als gar nicht.
Und bieten sie konkret ihre Beziehung an, sagen sie: "wann kann ich dich das nächste Mal
sprechen? oder wie wär's, wenn wir übermorgen einen Kaffee zusammen trinken?". Seien
sie da für den betroffenen Menschen (natürlich ohne sich selbst dabei zu überfordern).
Soziale Kontakte ist einer der größten Schutzfaktoren um einen Menschen vor dem Suizid
zu bewahren.
Wie geht das Gespräch weiter, wenn die Person tatsächlich ja sagt (also sehr konkrete Pläne hat, sich das Leben zu nehmen)?
Wenn jemand konkrete Pläne hat, sich das Leben zu nehmen und vielleicht sogar schon
etwas vorbereitet hat, sagen Sie der Person, dass Sie jetzt den Notarzt (112) anrufen
werden und die Person in die Klinik begleiten. Sie dürfen denjenigen dann nicht mehr vor die
Wahl stellen. Wenn jemand einen Schlaganfall erleidet, nicht mehr hören oder sehen kann,
fragen Sie die Person auch nicht, ob sie Hilfe möchte. Wer bereits Pläne hat, ist extrem
gefährdet, sich tatsächlich das Leben zu nehmen. Viele haben auch Angst vor der Klinik,
weil sie nicht wissen, was dort auf sie zukommt Sie können dann einfach sagen: „Du brauchst deine
Krankenversichertenkarte und dein Handy. Alles andere bringe ich dir später.“
Und was ist, wenn die Person im Gespräch keine konkreten Suizidpläne äußert?
Wenn jemand nur vage Fantasien hat, dass Suizid ein Ausweg sein könnte, fragen Sie nach,
was die Gründe sind. In einem solchen Gespräch ist es wichtig, dass Sie das Gehörte
wiederholen, um sicherzugehen, dass Sie alles richtig verstanden haben. Durch dieses
Paraphrasieren fühlt sich der andere auch verstanden. Sie sollten auf keinen Fall mit
Floskeln arbeiten wie „das wird schon wieder“ oder „Kopf hoch“. Das wirkt kontraproduktiv.
Fragen Sie nach, ob Ihr Gegenüber interessiert ist, mit Ihnen gemeinsam zu schauen,
welche Möglichkeiten zu weiterer Hilfe oder Lösungen es geben könnte. Hier ist auch wieder
wichtig, keine fertigen Lösungen vorzugeben. Sie können sich sicher sein, wenn es einen
einfach machbaren Ausweg für die Person gäbe, würde sie ihn gehen. Manchmal sind
Dinge, die für uns selbst vielleicht ganz einfach erscheinen, für eine andere Person schier
unmöglich.